Mittwoch, 17. August 2011

Was ist Naturkosmetik?

Unter der Bezeichnung "Natur-kosmetik" gibt es viele Produkte auf dem Markt. Doch was macht konsequente Naturkosmetik wirklich aus?

"Naturkosmetik ist ein komplexer, emotionaler und sensibler Gegenstand, welcher sich über Naturverbundenheit hinaus, auch über Nachhaltigkeit sowie sozioökonomische Faktoren definiert. Dies bezieht sich sowohl auf die Zusammensetzung des Produktes, als auch auf die eingesetzten Ver-packungsmaterialien und Verpackungssysteme.

Derzeit werden häufig von nicht staatlichen und/oder nicht offiziell anerkannten privaten Vereinigungen diesbezügliche Richtlinien erstellt und Zertifikate („Gütezeichen“) vergeben. Die dabei zugrunde liegenden Kriterien sind unterschiedlich, sodass die gegenwärtig unter der Bezeichnung „Naturkosmetik“ am Markt befindlichen Produkte keine einheitliche Norm erfüllen.

Diese Situation ist sowohl für Konsumenten als auch für Hersteller verwirrend".

heißt es auf Seite 2 der 4.Auflage des Österr.Lebensmittelbuches vom 14.1.2009, „Codexkapitel 33“/1.Abschnitt/Naturkosmetik.

Daher soll hier der Versuch unternommen werden, mehr Klarheit in die verwirrenden Verhältnisse zu bringen und einen allgemeinen Vergleich zwischen Naturkosmetik, Kosmetik, die sich den Anschein von Naturkosmetik gibt, und gängiger Kosmetik anzustellen:

Die Kennzeichen „echter“ Naturkosmetik

Gesetzliche Lage

Naturkosmetik ist Kosmetik auf Basis natürlicher bzw. naturbelassener Stoffe pflanzlichen oder mineralischen Ursprungs. Stoffe tierischen Ursprungs dürfen nur eingesetzt werden, wenn sie unter Beachtung tierschutz-rechtlicher Bestimmungen von lebenden Wirbeltieren gewonnen wurden (z.B. Bienenwachs oder Wollfett).

Gentechnisch veränderte Stoffe, synthetische Farbstoffe und Stoffe auf Erdölbasis (Paraffinöl, INCI-Bezeich- nung: paraffin oil) dürfen nicht zum Einsatz kommen. Die Verwendung von Emulgatoren (dienen der Stabili-sierung von Gemischen), Tensiden (waschaktiven Substanzen), Lösungsmitteln und Riechstoffen (nur natürli-chen Ursprungs) sowie Konservierungsmitteln (nur einige wenige sind erlaubt) ist im Österr.Lebensmittelgesetz genau geregelt.

Für die Gewinnung und Weiterverarbeitung dieser Stoffe sind nur klassische physikalische Verfahren, wie z.B. Pressung oder Destillation, gewisse mikrobiologische und enzymatische Methoden erlaubt. Gewisse Veränderun-gen natürlicher Rohstoffe sind also zulässig bzw. bis zu einem gewissen Grad auch notwendig.

Rohstoffe

Konsequente Naturkosmetik hält jedoch auch diese so gering wie nur irgend möglich, denn sie geht davon aus, dass wertvolle natürliche Rohstoffe ihre Wirkung unter diesen Voraussetzungen am besten entfalten können. Sie verwendet daher kalt gepresste Pflanzenöle, natürliche Emulgatoren (Bienenwachs, Lanolin, Sheabutter), biologisch leicht abbaubare Tenside (wie Zuckertensid), natürliche Konservierungsmittel und Duftstoffe (wie reine ätherische Öle), alles im Idealfall aus kontrolliert biologischem Anbau.

Sie vertraut bei der Auswahl der Rohstoffe auf seit Jahrtausenden bewährte und in ihrer Wirkung bekannte Sub-stanzen, so dass Tierversuche – die für kosmetische Mittel im EU-Raum ohnehin offiziell verboten sind – sich von selbst erübrigen.

 Philosophie

Anstatt die „Hautschranke“ (deren Funktion es ja ist, das Körperinnere des Menschen vor unverträglichen Sub-stanzen zu schützen) künstlich aufzubrechen, um Stoffe hindurch zu schleusen, die der Körper von Natur aus abwehren würde, ist es das Ziel der Naturkosmetik, die natürliche Schutzfunktion der Haut zu unterstützen, ihr natürliches Gleichgewicht zu fördern und sie so langfristig gesund und schön zu erhalten.

Was zählt, ist nicht die spektakuläre Sofortwirkung nach dem Motto „faltenfrei in einem Tag“, und die Jagd nach ständig neuen Wundermitteln. Die neuen Substanzen, die auch in der Naturkosmetik immer wieder auf-tauchen, sind in der Regel wieder entdeckte, altbewährte Stoffe aus traditionellen Kulturräumen (z.B. das in der letzten Zeit viel gerühmte Arganöl aus Nordafrika), für die keine aufwändige Forschung von Nöten ist. Die da-durch zur Verfügung stehenden Mittel werden stattdessen in hochwertigere Rohstoffe investiert.

Naturkosmetik-ErzeugerInnen legen auch, wie bereits im eingangs aufgeführten Zitat erwähnt, Wert auf mög-lichst wenige und wieder verwertbare Verpackungsmaterialien (z.B. Glas). Häufig gibt es auch ein Pfandsystem. Sie überprüfen u.a., ob die Arbeitsbedingungen bei den Herstellern ihrer Rohstoffe sozial verträglich sind, und vermeiden Rohstoffe, bei deren Gewinnung die Umwelt ausgebeutet wird (z.B. Palmöl). In der Regel sind die Inhaltsstoffe auf den Verpackungen auch in der Landessprache aufgeführt, so dass sich jede/r ohne Probleme über die Zusammensetzung des Produkts informieren kann.

Die Kennzeichen von „Bio-Kosmetik“ und gängiger Kosmetik

„Bio-Kosmetik“

Da das Interesse für natürliche Körperpflege in den letzten Jahren einen großen Boom erlebt hat, ist es ver-ständlich, dass alle Kosmetik-ErzeugerInnen am Ergebnis „mitnaschen“ möchten.

Daher findet man auf vielen Kosmetikverpackungen den Hinweis „Bio“ oder „Aromatherapie“, „mit natürlichem Jojobaöl“ u.a.m. und man muss schon ExpertIn sein, um feststellen zu können, ob es sich tatsächlich um Natur-kosmetik handelt. Macht man sich die Mühe, im Internet die so genannten INCI-Bezeichnungen (die auf jeder Kosmetik-Verpackung angeführt werden müssen) nachzusehen, wird man jedoch in den meisten Fällen heraus-finden, dass in dem jeweiligen Produkt zwar einige natürliche Substanzen enthalten sind, der Rest aber aus chemischen Stoffen oder künstlich gewonnenen Auszugsstoffen (wie einzelne Vitamine) besteht.

Aus Gründen der Abgrenzung wurden von HerstellerInnen „echter“ Naturkosmetik daher verschiedene Labels, wie zum Beispiel das „BDIH“-Zeichen (für kontrollierte Naturkosmetik) oder das „Natrue“-Label gegründet, was es einem jedoch nicht erspart, nachzulesen, wofür denn jedes dieser Labels wieder steht und welche Inhalts-stoffe unter dem jeweiligen Zeichen als akzeptabel gelten und welche nicht.

Gängige Kosmetik

In gängiger Kosmetik findet man nun großteils Paraffinöl (aus Erdöl) sowie weitere synthetische Inhaltsstoffe. Da diese von der menschlichen Haut auf natürliche Weise in der Regel nicht aufgenommen werden können (die Haut "weiß", was ihr gut tut!), müssen sie durch komplizierte und meist teure Verfahren durch die Hautschran-ke geschleust werden. Unverträglichkeiten können die Folge sein und immer noch werden weltweit Tierversuche eingesetzt, um Risiken besser einschätzen – jedoch häufig nicht ausschließen – zu können. (Man denke nur an die immer wieder – häufig erst Jahre nach der Markteinführung – festgestellte krebserregende Wirkung einzel-ner Inhaltsstoffe, z.B. die von Triclosan in Deodorants).

Millionen fließen in die Erforschung immer neuer „Wunderwirkstoffe“ und deren Bewerbung. (Natürlich können auch manche Naturstoffe bei empfindlichen Personen Unverträglichkeiten auslösen. Diese Stoffe werden jedoch möglichst nicht eingesetzt bzw. führen die HerstellerInnen gegebenenfalls von sich aus Warnhinweise auf den Verpackungen an)

Die Verpackungen in dieser Kosmetik sind meist sehr aufwändig und bestehen großteils aus Kunststoffen. Die Inhaltsstoffe sind in der Regel nur in den vorgeschriebenen INCI-Bezeichnungen angeführt, für deren Verständ-nis man zumindest Latein-, wenn schon nicht Kenntnisse als ChemikerIn braucht.

Zusammenfassung

Zusammenfassend könnte man sagen, dass die gängige Kosmetik davon ausgeht, dass der Mensch herrscht und die Natur sich ihm unterzuordnen hat. Dahinter steht auch die Annahme, dass die Natur unvollkommen ist und durch das Eingreifen des Menschen verbessert werden muss. Von größter Bedeutung ist das schöne, oberfläch-liche Bild, das man nach außen hin abgibt.

Die Prämisse in der Naturkosmetik lautet dagegen: „Die Natur herrscht, und der Mensch lebt in und mit ihr. Damit dies auch langfristig möglich ist, muss die Natur geachtet und es muss pfleglich mit ihr umgegangen wer-den. Die natürlichen Funktionen der menschlichen Haut können mit natürlichen Stoffen unterstützt, gegebenen-falls harmonisiert, und damit langfristig erhalten werden.“ Die Haut wird wahrgenommen als Teil des ganzen Menschen, als „Spiegel der Seele“.


© Enja Margot Handler

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