Dienstag, 13. März 2012

DIE HAUT – ORGAN IM GRENZBEREICH ZWISCHEN INNEN UND AUSSEN


Möchten Sie manchmal am liebsten „aus der Haut fahren“, weil Ihnen jemand gehörig „auf die Pelle geht“? Geht Ihnen alles gleich „unter die Haut“ oder aber haben Sie eine „dicke Haut“? Sind Sie ein „Mensch zum Anfassen“ oder ein „Rühr-mich-nicht-an“? Können Sie sich „Ihrer Haut wehren“ wenn jemand „über-griffig“ wird? Sind Sie eine „ehrliche Haut“, liegen Sie gern „auf der faulen Haut“ und was halten Sie von Menschen, die „ihre Haut zu Markte tragen“?

Sie sehen bereits: vieles, was unsere Haut – das größte unserer Sinnesorgane – betrifft, hat – als Ausdruck  ihrer herausragenden Bedeutung für das menschliche Leben – Eingang in unsere Sprache gefunden. Zu berühren und berührt zu werden ist eine der menschlichen Primärerfahrungen.

Die Bedeutung der Berührung

Schon ab der 7.Schwangerschaftswoche – bevor irgendeiner der anderen menschlichen Sinne zum Tragen kommt - erfolgt im Mutterleib ein erstes Erforschen des Lebensraumes über den Tastsinn. Die im Mutterleib automatisch stattfindende Berührung muss später durch aktive Berührung von seiten der Mutter bzw. anderer Betreuungspersonen ersetzt werden, soll eine gesunde Entwicklung gewährleistet und ein Gefühl von Geborgenheit und angenommen Sein verinnerlicht werden.

Nach der Geburt lernen Babys außerdem durch sorgfältiges Betasten – nicht nur mit den Händchen, sondern auch mit Lippen und Zunge - ihre Umwelt und den eigenen Körper kennen. Von  Kleinkindern sagt man, sie hätten „die Augen in den Fingern“. Die dabei ablaufenden Lernprozesse führen zu einem „Begreifen“ der materiellen Welt, dessen Ergebnisse in weiterer Folge im Gedächtnis abgespeichert werden und  lebenslang abrufbar sind.

Ein Zuwenig an Berührung in der Kindheit führt dagegen erwiesenermaßen zu schlechterer Gehirnentwicklung, geringerer Immunabwehr und zu vermindertem Wachstum. Ein – ethisch fragwürdiges, aber dennoch erhellendes - Experiment des Stauferkönigs Friedrich II. am Anfang des 13.Jh. zeigte, dass Babys, die nur mit Nahrung versorgt, aber niemals berührt wurden, nach 3 Monaten starben.

Aggressionen und Depressionen können ebenso auf einen Mangel an Berührung oder sonstige Defizite in der Entwicklung des Tastsinns im Kleinkindalter zurückgehen wie Essstörungen: Martin Grunwald von der Universität Leipzig fand heraus, dass das für Anorexie-PatientInnen typische verzerrte Körperbild (sie nehmen sich als „dicker“ wahr, als sie sind) durch das regelmäßige Tragen eines   Neoprenanzugs realistischer wurde und es sogar zu einer Gewichtszunahme kam (Quelle: Regina Naumann, Hamburg)
 
Frühgeborene, die regelmässig massiert werden, gedeihen wesentlich besser, schwer erziehbare Jugendliche lernen durch Massagen, ihren Betreuern zu vertrauen und entwickeln mehr inneres Gleichgewicht, und die auch für Erwachsene wohltuende, ja sogar heilende Wirkung von körperlicher Berührung in Form von unterschiedlichsten Techniken ist allgemein bekannt. Bei älteren Personen fördern Massagen das Selbstvertrauen und die Lebensfreude. Sie lindern Einsamkeitsgefühle und die Folgen eines Verlustes von Intimität. Dienstleister wie FriseurInnen und KosmetikerInnen wissen um die wohltuende Wirkung von Berührung und ergänzen ihr Angebot dementsprechend.

Massagen können – so die einschlägige Erfahrung - auch die Schmerzen bei Fibromyalgie lindern, den Blutdruck senken, und Konzentration und Aufmerksamkeit verbessern. Sie stärken wichtige Funktionen des Immunsystems, indem sie die Anzahl von Killerzellen steigern. Liebevolle Berührung kann zudem Neurodermitis und andere chronische Krankheiten lindern (Anne Höfler „Leg mir die Hand auf“, Knaur TB).

Der Impuls, einen Menschen in Not tröstend zu berühren, ist uralt. Schon im Altertum kannte man die wohltuende physische und psychologische Wirkung von Massage. Auf Hawaii erweist man heute noch besonderen Gästen eine Ehre, indem man sie mit „lomi-lomi“ behandelt.

Berührung ist nicht zuletzt von entscheidender Bedeutung im Bereich von Sinnlichkeit und Sexualität: empfinden wir einen unserer Mitmenschen als attraktiv, wollen wir ihn/sie berühren und dem /der anderen nahe sein bis hin zur körperlichen Vereinigung.

Liebevolle Berührung kann also Gefühle von Sympathie, Zuwendung, Liebe, Nähe, Geborgenheit und sexueller Lust auslösen. Berührung kann aber auch besitzergreifend, grob und übergriffig sein und  Empfindungen von Ekel, Angst oder Abwehr bewirken. Jede Berührung im Erwachsenenalter löst zugleich Erinnerungen an frühe Erfahrungen mit diesem Thema aus und führt zu entsprechenden Reaktionen.

An unserer Außengrenze sind wir nicht nur physisch, sondern auch emotional berühr- und u.U. verletzbar.

Sind die Berührenden mit Ihrem Herzen verbunden und die Berührten offen zu empfangen gilt jedoch: Berühren beruhigt. Am besten beim langsamen Streicheln. Ganz instinktiv streicheln wir mit der optimalen Frequenz von 40-mal pro Minute - egal, ob kleine Kinder, den Liebsten oder die Katze. Und während wir uns streicheln lassen und uns wohlig entspannen, leiten spezielle Leitungsbahnen die Berührungsreize zum Gehirn, mitten ins Zentrum der Emotionen, ins limbische System. Von dort aus wird die Freisetzung von Oxytocin aus dem Hypothalamus gesteuert, dem Wohlfühlhormon per se: Die Durchblutung steigt, das Stresshormon Cortisol nimmt ab, die emotionale Bindung zur streichelnden Person wird fester, und ein Gefühl von Geborgenheit kann entstehen. Und das Besondere daran: Nicht nur Gestreicheltwerden, auch das Streicheln ist gesund. Denn die Heilkraft von Berührungen beruht auf Geben und Nehmen. (Quelle für kursiv gedruckte Textstellen: Regina Naumann, Hamburg)

Funktionen und Aufbau der Haut

All die geschilderten Erfahrungen würden uns entgehen, wäre unsere Haut als unsere Außengrenze und zugleich unser größtes Sinnesorgan nicht mit dem für uns normalerweise so selbstverständlichen Tastsinn ausgestattet.

Tasterfahrungen liefern von klein auf Basisinformationen über unsere Umwelt: über Größe, Form, Gewicht, Position und Oberfläche von Gegenständen und anderen Lebewesen, über Temperatur und mögliche Gefahren für unsere Außengrenze. Sie führen so zu einem Begriff von uns selbst: Hier bin ich - hier sind die Anderen/ist das Andere - ich unterscheide mich von meiner Umwelt - ich habe Grenzen - ich kann in meine Umwelt eingreifen - meine Umwelt berührt mich. Sie sind aber auch eng mit unseren Emotionen verbunden und entscheiden über Sympathie oder Antipathie, sowohl im zwischenmenschlichen Bereich als auch in der „Objektbeziehung“ (eine „angenehme Oberfläche“ beeinflusst z.B. Kaufentscheidungen).

Für Blinde ist der Tastsinn zeitlebens von überragender Bedeutung – für die Orientierung im Raum,  das Erspüren anderer Menschen, aber auch das Erfassen von Geschriebenem über die Blindenschrift. Wird durch eine Operation ihr Augenlicht wieder hergestellt, können sie sich oft schlechter orientieren als vorher, da ihnen die Verbindung von Sehsinn und Raumerfahrung durch den Tastsinn fehlt.

Die Bedeutung dieses Sinns wird uns wahrscheinlich erst wirklich klar, wenn er – vorübergehend oder permanent – gestört ist. So kann man nach einer bei einem Zahnarztbesuch verabreichten Spritze den Löffel kaum in den Mund führen und verbrennt sich wegen mangelnden Temperaturempfindens vielleicht sogar die Lippen. Bei dauerhaften Störungen des Tastsinns durch Hirnverletzungen, Schlaganfall o.ä. fällt es einem schwer, Gegenstände zu greifen und zu halten und man verletzt sich leichter.

Als Organ für den Tastsinn ist unsere Haut mit einer Unzahl von Sinneszellen ausgestattet, die auf unterschiedliche Reize (z.B. Berührungen, Druck, Temperatur, Schmerz) spezialisiert sind und es ermöglichen, sehr präzise Intensität, Dauer, Ausdehnung, Qualität und Ort der jeweiligen Berührung zu bestimmen. Diese „Rezeptoren“ sind in unterschiedlicher Dichte über die Oberfläche verteilt bzw. befinden sie sich auch in unterschiedlichen Hautschichten (eine größere Dichte weisen die Fingerspitzen, die Zunge, die Nase und die Geschlechtsorgane auf; von den in der Oberhaut und in der Lederhaut befindlichen Thermorezeptoren liegen die Kälterezeptoren höher als die Wärmerezeptoren). Die über diese Sinneszellen empfangenen Informationen werden – mit unterschiedlicher, den Notwendigkeiten angepasster Geschwindigkeit - in elektrische Signale umgewandelt, über Nervenbahnen an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet, woraufhin die entsprechende Reaktion (Zurückzucken, Schweißproduktion, Entspannung u.a.m.) erfolgt.

Die Haut liefert uns aber nicht nur z.T. für das Überleben notwendige, wesentliche Informationen über unsere Umwelt, sondern sie informiert auch die Umwelt über uns: so prägt sie z.B. unser Aussehen und hinterlässt damit einen bleibenden Eindruck bei anderen; sie informiert andere über unser Innenleben, etwa unsere Gefühle, die sich z.B. in Erröten oder Erblassen ausdrücken können. Sie gibt Auskunft über unseren Lebenswandel und den damit verbundenen Gesundheitszustand („Schnapsnase“, graue Haut oder anderweitig „ungesunde“ Gesichtsfarbe bei Kranken, ledrige Haut bei übermässigem Sonnengenuss, u.a.m.) oder über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse. Schließlich offenbart die Haut – wenn sie nicht durch diverseste Maßnahmen daran gehindert wird – unser Alter.

Als Grenze und zugleich Bindeglied zwischen Innen- und Außenwelt ist die Haut also auch eines unserer wichtigsten Kommunikationsmittel. Sie schützt nicht nur unser Körperinneres, indem sie schwerwiegendere Verletzungen desselben, Schäden durch Giftstoffe oder Mikroorganismen abfängt, sondern ist zugleich ein sensibles Barometer für in unserem Organismus oder in unserer Psy-che vorliegende Störungen und ein Spiegel unseres Allgemeinzustandes.

Mit – je nach Körpergröße – 1,5-2 m² und einem Gewicht von 10-14 kg bei Erwachsenen ist die Haut das einzige Organ, das wir sichtbar nach außen tragen. Um ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können, ist sie in Schichten mit jeweils unterschiedlichen Funktionen aufgebaut:

Die äußerste, für uns sicht- und tastbare Schicht ist die primär dem Schutz dienende Oberhaut oder Epidermis. Sie besteht aus vielen übereinandergelagerten Hautzellen, die in der untersten Schicht (Keimschicht) der Oberhaut gebildet werden. Von dort wandern sie nach oben und bilden dabei immer mehr Hornsubstanz (Keratin), um dann irgendwann abzusterben und als hornige Hautschuppen abgeworfen zu werden. Die Oberhaut erneuert sich also ständig. Sie enthält keine Blut-gefäße, ist bis zu 1 mm dick und ist auch für die Pigmentierung der Haut verantwortlich.

Energie zur Zellteilung erhält die unterste Schicht der Oberhaut durch die darunterliegende Schicht, die Lederhaut (Cutis od. Dermis). Ihr haben wir Eigenschaften wie Widerstandskraft und Dehnbarkeit unserer Haut zuzuschreiben – zurückzuführen auf viele leimartige Eiweißstoffe (Kollagenfaserbündel), haarfeine Blutgefäße (Kapillaren) für die Nähr- und Sauerstoffversorgung und elastische Fasern(Elastin).

In der Lederhaut sitzen auch die Schweißdrüsen und die Haarwurzeln, von denen aus die Haare über Follikelkanäle nach außen wachsen. Die Schweißdrüsen fungieren zusammen mit Nerven als Temperatursensoren und sorgen – gemeinsam mit sich zusammenziehenden oder ausdehnenden Blutgefäßen – für die Regelung des Wärmehaushalts.

An den Haarwurzeln befinden sich Fettsekretdrüsen (Talgdrüsen), die den Talg durch feine Kanäle nach oben zu den Poren führen, um Haut und Haar geschmeidig zu halten und den vor äußeren Einflüssen schützenden Hydrolipidfilm zu bilden. Die Aktivität der Talgdrüsen ist dafür verantwortlich, ob die Haut trocken, normal oder fett ist. Auch die Nerven enden im Bereich der Talgdrüsen. Die Lederhaut ist bis zu 3 mm dick, wobei sie an der Stirn am dünnsten, an den Fußsohlen am dicksten ist.

Die Unterhaut (Subcutis od. Hypodermis) schließlich ist der formgebende Teil der Haut. Sie ist die dickste Hautschicht, besteht hauptsächlich aus lockerem Fett- und Bindegewebe und hat damit Polsterfunktion. Zugleich ist sie ein Nährstoffreservoir, durchzogen von Nerven-, Blut- und Lymphgefäßen und enthält Duftdrüsen (apokrine Schweißdrüsen), die zum typischen Körpergeruch eines Menschen entscheidend beitragen.

Dieser komplexe Aufbau ist u.a.verantwortlich für die große Regenerationsfähigkeit der Haut, die dennoch auch Schwächen, insbesondere eine Empfindlichkeit gegenüber UV-Licht, aufweist.

Bei den zahlreichen möglichen äußeren Verletzungen des Körpers (Stiche, Schnitte, Abschürfungen, u.a.m.) setzt sofort ein raffinierter Mechanismus zur Wundheilung ein: Blut tritt aus, wobei zugleich eine gewisse Reinigung der Wunde stattfindet; es trocknet aus und bildet so eine Art natürliches Pflaster, während darunter die Zellen erneuert werden. Je nach Art und Schwere der Verletzung heilt die Haut vollständig oder es bleibt Narbengewebe übrig, wobei auch Alter und Veranlagung eine Rolle spielen.

Bei tiefen oder schweren Verletzungen (wie z.B. nach Operationen oder bei Verbrennungen) muss gegebenenfalls durch Nähte oder auch Hauttransplantationen nachgeholfen werden.
  
Die Haut als Ausdrucksmittel

Absichtliche Verletzungen der Haut, wie z.B. durch Tätowierungen oder Piercings, haben in be-stimmten Gesellschaftsschichten schon seit langem rituelle und/oder soziale Bedeutung. Aktuell sind sie eine beliebte Modeerscheinung. Sie sind aber auch in zahlreichen alten Kulturen – wie z.B. bei den Maoris – tief verwurzelt. Selbstverletzungen („Ritzen“) haben häufig psychische Ursachen.

Generell kann die Haut, wie auch ganzheitlich denkende DermatologInnen und KosmetikerInnen mittlerweile erkannt haben, als „Spiegel der Seele“ gesehen werden. Alles, was wir an der Haut sehen, ist eine Rückmeldung vielfacher Reaktionen des gesamten Organismus, des Nervensystems, dessen feinste Enden in der Haut sitzen, des Blutkreislaufes und des Hormonhaushalts.

Hautprobleme, und vor allem Hautkrankheiten, weisen auf einen mehr oder weniger pathologischen Zustand hin. Stress – welcher Art auch immer – wird an der Haut sichtbar, denn er belastet stark die Funktionsfähigkeit des Immunsystems, zu dem die Haut gehört. Was an der Haut sichtbar wird, kann weiters Signal sein für psychische Probleme aller Art.

Die möglichen krankhaften Veränderungen der Haut sind Legion: Allergien, Akne, Neurodermitis,Schuppen-flechte, Warzen, Furunkel, Pigmentstörungen, Hautkrebs u.a.m. Eine interessante Analyse dieser Phänomene aus tiefenpsychologischer Sicht findet sich bei Anne Maguire „Hauterkrankungen als Botschaft der Seele“, Knaur TB

Trotz ihrer bemerkenswerten Regenerationsfähigkeit unterliegt die Haut auch einem Alterungsprozess. Der Lipid-(= Fett-)gehalt nimmt mit der Zeit ab, wodurch weniger Feuchtigkeit in der Haut gespeichert werden kann. Auch der Kollagengehalt nimmt ab, so dass das Bindegewebe schlaffer wird und Falten entstehen. Durch die zunehmende Trockenheit wird die Haut außerdem empfindlicher. „Altersflecken“ können entstehen.

Lebens- und Ernährungweise (starke Sonnenexposition, Rauchen, Alkohol, Schlafmangel u.a.m.) haben einen Einfluss auf die Hautalterung. Sie ist aber auch von den Erbanlagen oder persönlicher Mimik (Stirnrunzeln, Lachfalten, Hinunterziehen der Mundwinkel) abhängig.

Hier setzt die Kosmetik mit ihren Möglichkeiten und Verführungen an, die von Naturkosmetik über industriell und in der Regel auf chemischer Basis hergestellte Kosmetik bis zu diversesten Arten der kosmetischen Chirurgie reichen.

Wie wir mit unserer Außengrenze, dem „Wunderwerk Haut“, umgehen, bleibt letzten Endes uns selbst überlassen. Ein Mehr an bewusster Wertschätzung und sorgfältigem, durchdachtem Umgang, (z.B. durch die Auswahl natürlicher Körperpflegeprodukte) und eine bewusstere, den liebevollen Umgang mit dem eigenen Körper und dem eigenen Innenleben einschließende Lebensweise im allgemeinen würde sie uns jedoch in jedem Fall danken, denn „Schönheit kommt (auch) von innen“.


© Margot Handler

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