Mittwoch, 20. Juli 2011

Die sinnliche Welt der Düfte



Lust auf Duft? oder: Lust durch Duft?  

Mittagszeit – der Magen knurrt. Plötzlich zieht ein unwiderstehlicher Duft an Ihnen vorbei, der Duft Ihres Lieblingsessens. Das „Wasser läuft Ihnen im Mund zusammen“, und voller Vorfreude begeben Sie sich an den Ort des Wohlgeruchs. Oder: der Duft eines Parfums, der von irgendwoher Ihre Nase berührt: auch wenn Sie gerade beschäftigt sind, wird Ihr Körper mit Interesse reagieren und versuchen, den/die Träger/in des Geruchs ausfindig zu machen, um den zunächst gewonnenen Eindruck durch einen optische Wahrnehmung zu ergänzen. Schließlich der Duft des Menschen, in den Sie verliebt sind: magisch zieht er Sie an, das Blut gerät in Wallung, wenn Sie nur daran denken, und Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als ihm/ihr nahe zu sein! Und: welch ein Erlebnis „der anderen Art“, wenn Sie jemanden nicht oder nicht mehr „riechen können“!

Wie sehr Gerüche und sinnliches Erleben seit Urzeiten miteinander verbunden sind, ist uns allen bekannt. Unvorstellbar, was uns dagegen entgeht, wenn unser Geruchssinn gestört ist (was durch Vererbung oder auch durch Verletzungen der dafür verantwortlichen Gehirnareale vorkommen kann und weniger selten ist, als wir vielleicht annehmen würden)!

Gerüche lösen Emotionen, Gefühle, Erinnerungen aus und sind z.B. für das sinnliche Erlebnis beim Essen viel stärker verantwortlich als der Geschmackssinn selbst, der nur 5 Geschmacksrichtungen zu unterscheiden vermag. Sie beeinflussen das autonome Nervensystem und das endokrine (=Drüsen-) System, und damit u.a. Appetit und Durst, die Körpertemperatur, die Verdauung, die Insulinproduktion und den Hormonhaushalt. In weiterer Folge wirken sie auch auf unser bewusstes Denken und Handeln.

Trotzdem ist der Geruchssinn derjenige unter unseren Sinnen, auf den wir am wenigsten bewusst achten. Gerüche wirken in der Regel automatisch – bevor sie überhaupt bewusst wahrgenommen werden. Der tiefere Sinn: dieser ursprünglichste unserer Sinne – der uns auch heute noch am stärksten mit unserem tierischen Erbe verbindet – hatte in Urzeiten die Funktion, unserem Körper zu vermitteln, ob Gefahr drohte und daher Angriff oder Flucht vonnöten war, oder ob er sich entspannen konnte.  Dafür wäre der Weg der Information über das bewusste Denken (linke Gehirnhälfte) zu lang gewesen. Reaktionen des Körpers, z.B. der Atmung, der Muskulatur, mussten sofort erfolgen, wenn es um Leben oder Tod ging.

Der Geruchssinn diente also der Erhaltung des Lebens in unsicheren Zeiten, aber auch generell – durch die Information über un/zuträgliche Nahrungsmittel und durch die Beeinflussung von Partnerwahl, Paarung, und Aufzucht der Nachkommen – der Erhaltung der Art. Und er tut es noch heute, auch wenn es uns in der Regel kaum bewusst ist.

Instinktiv reagieren wir z.B. alarmiert auf Brandgeruch. Ebenso instinktiv entspannen wir uns beim Spaziergang durch einen Rosengarten. Der typische Wohlgeruch eines Babys löst bei der Mutter und anderen Personen, die mit ihm zu tun haben, Gefühle des Entzückens und behüten wollende Verhaltensweisen aus. Über den Körpergeruch eines Menschen erhalten wir Informationen über seinen/ihren physischen bzw. psychischen Gesundheitszustand, über seine Ernährungs- und sonstige Lebensgewohnheiten (z.B. Rauchen, Trinken)

Auf äußerst subtile Art und Weise erfahren wir aber auch, ob sich jemand gerade „auf Freiersfüßen“ bewegt oder sexuell desinteressiert ist. In speziellen Schweißdrüsen – den „aprokrinen Drüsen“, die sich an den Haarwurzeln unter den Achseln und in der Umgebung der Genitalien befinden – produziert unser Körper eine komplexe Mischung aus Duftstoffen (hauptsächlich so genannte „Pheromone“), die genau Auskunft gibt über den augenblicklichen Zustand unserer sexuellen Einstellung. Wird dieser Geruch von einem/r potentiellen Partner/in aufgenommen, ändert sich dessen/deren Verhalten meist schlagartig. Die „Fährte wird aufgenommen“ und Anbahnungsversuche lassen in der Regel nicht lange auf sich warten.

Genetische Unterschiede werden dabei Untersuchungen zufolge als angenehm riechend empfunden (hier „stimmt die Chemie“), während jemand mit ähnlicher Veranlagung weniger anziehend wirkt – denn für die Anpassungsfähigkeit und Gesundheit der potentiellen Nachkommenschaft ist eine größtmögliche genetische Vielfalt ausschlaggebend. Diese Tatsache mag dem Brauch der Eskimos zugrunde liegen, vor der Entscheidung für eine Hochzeit eine Nacht unter einer Bettdecke zu verbringen, um sich ausgiebig zu beriechen.

In unserer modernen Kultur dagegen wird anderen Dingen, wie dem Aussehen, dem gesellschaftlichen Status, den finanziellen Verhältnissen, häufig der Vorzug gegeben. Natürliche Körpergerüche werden lieber künstlich übertönt und als störend empfunden und man mag sich fragen, warum laut einer anderen Untersuchung 80 – 90% der Frauen, die ihr Kind vor der 12.Schwangerschaftswoche verloren, einen Partner mit ähnlichem Gewebetyp gewählt hatten.  

Während Tiere unter dem Einfluss von Sexual-Lockstoffen wie unter Zwang reagieren, kann der „zivilisierte“ Mensch dem Drang nachgeben oder auch nicht. Sein Bewusstsein, beeinflusst von Benimmregeln und vernunftgesteuerten Überlegungen, kontrolliert normalerweise sein Verhalten, und diese Kontrolle wird nur gelockert, wenn er schläft, erschöpft, gestresst oder aber verliebt ist.

In jedem Fall wird jedoch seine Stimmung durch Sexuallockstoffe aufgehellt und die Gerüche machen ihn unterschwellig neugierig auf Dinge, die da kommen mögen. Frauen haben – was die Geruchsempfindlichkeit angeht – generell die Nase vorn. Sie reagieren stärker und positiver auf den Einfluss von Pheromonen.

Wie sehr Gerüche unser Geschlechtsleben beeinflussen zeigt sich auch daran, dass sich bei Frauen, die sich hauptsächlich in einer männlichen Geruchsaura aufhalten, der monatliche Zyklus verkürzen und die Chance auf Befruchtung dadurch erhöhen kann, dass der Eisprung öfter stattfindet. Umgekehrt kann der vermehrte Geruch von Frauen in der Umgebung auf den Zyklus verlängernd wirken und die Zahl der Eisprünge verringern. In Frauengemeinschaften zu beobachten ist auch, dass sich der Menstruationszeitpunkt häufig deckt. Bei Männern wurde ein Zusammenhang zwischen Zeugungsfähigkeit und Geruchsempfinden festgestellt.


Die Funktion der Parfumierung

In unserer hygieneverliebten westlichen Kultur ist es den meisten Menschen zur Gewohnheit geworden, das Haus nicht ohne eine zweite Haut aus duftenden Körperpflegemitteln zu verlassen. So fühlen sie sich einfach wohl und sauber bzw. kann auch der augenblickliche Gefühlszustand, der sich automatisch im Körpergeruch niederschlägt, damit verschleiert werden.

Der Wunsch, die Wahrheit zu verschleiern, nahm nach Ansicht des Zoologen D.M.Stoddard in der Zeit seinen Anfang, als die Menschen begannen, in größeren Gruppen zusammen zu leben. Für Frauen war dies damals von lebenswichtiger Bedeutung, denn während sich ihr Mann monatelang auf Jagd befand, sollte kein anderer Mann angelockt werden. Sie mussten schließlich sicher gehen, dass ihr abwesender Gefährte auch nach seiner Rückkehr bereit sein würde, sie und ihre Kinder weiter zu versorgen.

Viele Jahrhunderte lang diente die Parfumierung in der Folge eher der Überdeckung der olfaktorischen Folgen mangelnder Hygiene als der Reizwirkung auf das andere Geschlecht.

Im lustfeindlichen Biedermeier war die Wahl von Düften von moralischen Überlegungen beeinflusst: vor allem für Frauen war es nicht angezeigt, sinnliches Begehren offen auszudrücken. Es herrschten daher Blumendüfte vor, die Frauen mit einer Aura der Unschuld und zugleich Unberührbarkeit umgaben.   

Erst mit der Emanzipation der Frau fanden mehrheitlich sinnliche, weibliches Selbstbewusstsein signalisierende Düfte Eingang in das weibliche „Geruchsumfeld“ – beginnend mit dem berühmten, auf künstlichen Duftstoffen beruhenden „Chanel No.5“ in den 20er Jahren des 20.Jahrhunderts. In Zeiten der „Gleichberechtigung“ ist es inzwischen auch für Männer normal, sich zu parfümieren – etwas, das bis zur Mitte des 20.Jahrhunderts noch verpönt, weil „unmännlich“ war.

Natürliche Körpergerüche lassen sich durch Parfumierung also überdecken. Sie können aber auch wohldosiert eingesetzt werden, um die geruchliche Anziehungskraft zu steigern, wobei mindestens 3 verschiedene Geruchsqualitäten mit der sexuellen Attraktivität einer Person verknüpft werden:
-     Pheromongerüche, die direkt auf mit dem Liebeswerben zusammenhängende angeborene   Verhaltensmuster einwirken
-          Die Gerüche der Geschlechtsorgane und ihrer unmittelbaren Umgebung, die die Vorstellung intimer Nähe hervorrufen und
-         Haut- und Haargerüche, die menschliche Nähe und Wärme ausdrücken und neben sexuellen auch andere gefühlsmäßige Reaktionen beeinflussen (Wieshammer S.92)

Will man den eigenen Geruch im Dienst der Verführung einsetzen, darf der der diesen unterstreichende Duft „im günstigsten Fall kaum merkbar an den Körpergeruch erinnern und muss gleichzeitig so zart sein, dass er nur unterschwellig wahrgenommen werden kann. Mit ihm soll ein Geheimnis nur angedeutet, nicht verraten werden. Schließlich liegt der eigentliche Reiz der Liebeswerbung doch in der Suche nach dem verborgenen Schatz.“ (Wieshammer S.91)


Natürliche und künstliche Düfte

In Anbetracht der geschilderten Zusammenhänge ist unsere moderne Duftkultur – die großteils auf dem Einsatz künstlicher Düfte beruht – durchaus zu hinterfragen. Besteht nicht die Gefahr, dass wir uns in unserem Bemühen, aus vermeintlich hygienischen Gründen unseren natürlichen Körpergeruch zu überdecken, auch Abschneiden von der Möglichkeit, den/die für uns genetisch passende/n Partner/in zu finden? Richtet sich die Information, die wir hinsichtlich Sympathie oder Antipathie über den Geruchssinn bekommen, nach dem jeweils gerade durch die Werbung mit bestimmten Idealvorstellungen in Verbindung gebrachten „Superduft“ und müssen wir feststellen, dass der Reiz verfliegt, sobald wir das körpereigene Parfum des/der Angebeteten zum ersten Mal wahrnehmen – vielleicht zu einem Zeitpunkt, zu dem wir uns bereits tief auf eine Beziehung eingelassen haben?

Gaukeln wir andererseits nicht auch selbst unserer Umwelt etwas vor, was wir nicht sind, indem wir durch unsere künstliche Geruchsaura Assoziationen auslösen, die uns kollektiv durch die Werbung eingeprägt wurden? Vergewaltigen wir nicht in gewisser Weise unsere Mitmenschen, indem wir uns mit Düften einnebeln, die an uns haften wie eine zweite Haut und denen gegenüber es für empfindliche Nasen kein Entkommen gibt?

Wollen wir solches vermeiden, so bietet sich die faszinierende und vielfältige Welt ätherischer Öle als Alternative an, denn es gibt unter ihnen zahlreiche Stoffe mit pheromonähnlicher Wirkung bzw. auch solche, die an Hautgerüche erinnern oder Intimgerüche imitieren. Im Unterschied zu künstlichen Duftstoffen „überfallen“ wir jedoch mit ätherischen Ölen unsere Umwelt nicht, denn ätherische Öle passen sich dem Menschen besser an und werden auch als organischer empfunden.

Anstatt sich wie eine undurchdringliche Schicht zwischen den Menschen und seine Umgebung zu stellen, treten sie in intensive Wechselwirkung mit ihm, werden vom Gesamtorganismus aufgenommen und harmonisieren Körper, Seele und Geist. Sie unterstützen das innerste Wesen und bringen es zum Strahlen. Der körpereigene Geruch des/r Trägers/in wird nicht künstlich überdeckt, sondern sensibel unterstrichen. Die jedem Menschen eigene Attraktivität wird somit bestmöglich gefördert.


Ätherische Öle für die Sinnlichkeit

bieten sich in Form von Naturparfums, Eaux de Toilette, Deodorants, Massage- oder Badeölen an, deren Bestandteile vom/von der Träger/in individuell ausgesucht werden und somit dem Augenblickszustand und den persönlichen Vorlieben ideal entsprechen.

Die Mischungen werden im Regelfall einen oder mehrere der zahlreichen Pheromonstoffe pflanzlichen Ursprungs, wie z.B. Angelikawurzel, Anis- oder Fenchelöl, den anregenden Ingwer, Kalmus, Cistrose, das intensive Moschuskörneröl, die stimmungsaufhellende Muskatnuss, das „tantrische“ Sandelholzöl, Zimt oder Tabaköl enthalten; weiters vielleicht an Hautgerüche erinnernde ätherische Öle wie Bay, Benzoe, Patchouli (das Öl der „Flower-Power-Generation“), das feurig-balsamische Styraxöl, die wohlige Süße verbreitende Vanille, das männlich-süßlich-erdig-holzige Vetiver oder den süß-balsamischen Weihrauch. Zu guter Letzt dürfen auch die schweren, die Sinne betörenden und Intimgerüche imitierenden Öle wie Jasmin, Tuberose, Ylang-Ylang oder Neroli nicht fehlen, gekrönt von 1-2 Tropfen des narkotischen „Herzöffners“ Rose.

Dies alles – kunstvoll kombiniert zu einem Duft mit je mindestens einer Kopf-, Herz- und Basisnote oder eingearbeitet in natürliche Hautpflegemittel – erfreut nicht nur die Sinne (die eigenen und die der Umgebung!), sondern unterstützt den Menschen auch ganzheitlich – Verführung, Genuss und Wohltat im besten Sinn.

(Zitate und Hintergrundinformationen z.T. aus: Rainer Maria Wieshammer, „Verführen und Heilen mit Düften“, Goldmann TB 1999)

© Enja Margot Handler

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